„Auch der längste Marsch beginnt mit dem ersten Schritt.“ (Laozi)
Ein Geständnis zu Beginn – ich muss mich korrigieren. Regelmäßig schreiben wir hier im Ausdauerclub-Magazin, dass Laufen die natürlichste Bewegungsform des Menschen ist. Das ist nicht ganz richtig – denn evolutionär gesehen, ist es (schnelles) Gehen.
Schnelles Gehen in Form von Wandern oder anderen Ausprägungen wie (Nordic) Walking sind ein wahrer Booster für dein Herz-Kreislauf-System. Allerdings einer mit einem – nun ja – etwas zweifelhaften Ruf. „Ist Wandern überhaupt Sport? Und außerdem ist es ätzend langweilig.“, hört man da nicht selten in Gesprächen über das Thema Wandern.
So ging es lange lange Zeit auch mir. Mit Grausen erinnere ich mich an die nahezu jährlichen Urlaube im Thüringer Wald, als ich mit meinen Eltern regelmäßig wandern gehen „durfte“. Als Kind (und später als Jugendlicher) war das langweilig und anstrengend – einfach die Hölle.
Eine Hölle, die ich heute regelmäßig und sehr gerne freiwillig durchschreite. Denn ich habe Wandern wirklich lieben gelernt.
Die Evolution – warum Gehen uns zum Menschen macht
Du kennst sicher das Bild, was den Menschen in seiner evolutionären Entwicklung zeigt.
In dieser – Hominisation genannten – Herausbildung unserer menschlicher Wesenszüge entwickelte sich unter anderem Stück für Stück der aufrechte Gang und mit ihm passten sich auch unsere Gliedmaßen entsprechend an. Die Beine wurden über Jahrmillionen länger, die Arme im Verhältnis etwas kürzer und der Schädel vergrößerte sich deutlich.
Wie es dazu kam, dass der Urmensch den aufrechten Gang erlernte, dazu gibt es einige Hypothesen, aber keine Beweise. Eine der Hypothesen besagt dabei, dass die Urmenschen durch den aufrechten Gang größere Strecken schneller und effizienter zurücklegen können. Dadurch war man nicht nur sicherer vor wilden Tieren, sondern konnte auch selbst besser, weil ausdauernder, sammeln und jagen.
Der Mensch ist lange nicht das schnellste Lebewesen auf dem Planeten, aber er ist das ausdauerndste in Sachen schneller Fortbewegung.
Der aufrechte Gang macht uns zum Menschen
Der aufrechte Gang verschafft uns, neben der Fähigkeit effektiv zu schwitzen und damit den Körper zu kühlen, die Möglichkeit über einen enorm langen Zeitraum zu gehen bzw. zu laufen. Und das mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit, die es ermöglicht kurzzeitig schnellere Tiere wie Antilopen oder Zebras auf diese Art in den Tod zu hetzen.
Klingt grausam, aber genau das taten unsere Vorfahren mit großem Erfolg und das legte den Grundstein für die menschliche Entwicklung. Auf diese Art und Weise hatte der Mensch einen Aktionsradius von etwa 20–30 Kilometern und legte gehend täglich etwa einen Marathon zurück. Also schon die Urmenschen wussten das Wandern sehr zu schätzen, wenn natürlich auch aus einem anderen Grund als wir heute.
Wandern ist gesund und pures Glück in der Natur
Ausdauerndes Gehen entspricht somit unserer Natur und wo kann man diese Besinnung auf das Wesentliche besser spüren als auf langen ausdauernden Wanderungen? Doch ist das auch gut für deine Fitness?
Vielleicht wunderst du dich, dass ein Sportmagazin das Thema Wandern aufgreift. Schließlich ist diese Bewegungsform nicht unbedingt mit Sport gleichzusetzen, oder etwa doch?
Ich finde schon. Wandern stellt eine gemäßigte Form von Sport dar und ist – über mehrere Stunden ausgeführt – ein extrem gutes Ausdauertraining.
Kalorienverbrauch beim Wandern
Der Kalorienverbrauch liegt beim zügigen Wandern in bergiger Gegend um 20 % höher als beim Radfahren. Wenn es darum geht, deine Grundausdauer zu erhöhen und dabei abzunehmen, ist Wandern viel mehr als nur ein Geheimtipp.
Auch als Läufer profitierst du von der einen oder anderen Wandertour. Und das gerade als Laufeinsteiger. Ist deine Kondition noch nicht so gut ausgeprägt, dass du mit niedriger Intensität joggen kannst, ist eine gelegentliche Wandertour die perfekte Ergänzung, um diese Kondition Stück für Stück zu steigern. Aber auch einen erfahrenen Läufer fordert Bergwandern oder Bergsteigen ordentlich heraus.
Es gibt aber auch einen Nachteil. Erst wenn du mehrere Stunden unterwegs bist, zeigt sich der Effekt auf deine Fitness und in unserer heutigen Zeit fehlt es vor allem an – richtig – der Zeit!
Doch gerade die relativ eintönige Bewegung und die Tatsache, dass man es mehrere Stunden ausführt, erhöht andererseits die Attraktivität von Wandern. Es ist in unserer schnelllebigen Zeit eine Möglichkeit, den Geist zu beruhigen und dabei noch den Körper zu stärken. Optimal eigentlich – solltest du ausprobieren!
Die Auswirkung von Wandern auf deine Gelenke und Muskeln
Wandern stärkt deine Muskeln und das wiederum stärkt die Gelenke. Deshalb ist es heute in der Therapie üblich statt für Schonung für Bewegung zu sorgen. Das gilt selbst für Arthrose.
Die regelmäßige Bewegung sorgt für einen verbesserten Stoffwechsel und stärkere Durchblutung. Und je besser die Durchblutung, desto geringer die Auswirkungen durch Arthrose.
Dennoch gilt es gerade beim Bergwandern Sehnen und Bändern möglichst weniger zu belasten. Gerade bergab schmerzen bei nicht wenigen die Knie. Hier helfen Wanderstöcke ungemein, um die Belastung zu minimieren.
Ein Naturerlebnis in den Bergen
Es ist früher Morgen und über dem See wabern noch die Nebelschwaden. Kalt ist es, doch es scheint bereits die Sonne, als ich mit einem Freund aus dem Auto am Wanderparkplatz aussteige. Wir ziehen uns die Wanderschuhe* an, satteln unsere Rucksäcke* und ziehen los.
Wir schauen uns um – vor uns sehen wir bereits das Ziel. Besser gesagt über uns – den es soll auf den Gipfel gehen. Gut gelaunt, mit schnellem Schritt, fröhlich und intensiv plaudernd laufen wir über einen breiten Forstweg in den Berg hinein.
Mit zunehmender Höhe verlassen wir nach einiger Zeit den Fahrtweg und von jetzt an wird es steiler. Der Puls steigt, die Gespräche werden weniger und wir steigen Schritt für Schritt durch den dichten Wald voran.
Nach einiger Zeit erreichen wir die erste Alm und können dort schon einmal die Aussicht genießen. Das Panorama ist großartig und wir beide grinsen uns an – denn oben auf dem Gipfel wird es noch besser!
Pures Glück in den Bergen
Also weiter – Schritt für Schritt und mittlerweile schweigend geht es voran und irgendwann stehen wir oben – auf dem Gipfel. 360° Grad Rundumsicht – Sonne, pures Glück und Freude.
Wir klatschen uns ab, ziehen die verschwitzten Klamotten um und setzen uns nach den obligatorischen Fotos hin, um die mitgebrachte Brotzeit – die Gipfeljause, wie die Österreicher sagen – zu genießen.
Das Brot und das Obst schmecken himmlisch – liegt das daran, dass wir hier auch dem Himmel näher sind oder liegt es daran, dass wir eben ein paar Stunden anstrengend marschiert sind? Egal – Hauptsache, es schmeckt.
Nach einiger Zeit des Genusses steigen wir ab – was deutlich leichter als der Anstieg ist und auch deutlich schneller geht. Nur die Knie müssen jetzt deutlich mehr leisten. Was bin ich froh, dass ich mir endlich einmal Wanderstöcke* geleistet habe.
Unten angekommen wird die geniale Tour mit einem Weißbier gekrönt – pures Glück, so ein Tag in den Bergen…
Ist Wandern Sport?
Mehr als die Hälfte der erwachsenen Deutschen wandert zumindest gelegentlich. In Österreich dürfte die Quote noch höher liegen. Immer mehr Urlauber zieht es zudem in und auf die Berge und die Urlaubsregionen werben im Sommer mit Wanderurlauben.
Zu Recht – auch ich bin regelmäßig in den Bergen zu finden und selbst im Urlaub suche ich oft die Berge. Schau dir mal die Angebote an, vielleicht ist auch was für dich dabei…
Das gilt übrigens nicht nur für die klassischen Regionen wie die Alpen oder den Schwarzwald. Die Mittelgebirge sind zum Wandern nicht weniger attraktiv. Meine Heimat – das Vogtland und das angrenzende Erzgebirge – sind da ein exzellentes Beispiel.
Warum Wandern als Sportevent funktioniert
Es gibt einige Events, die Wandern noch näher an das Thema Sport bringen. Die immer beliebter werdenden Mammutmärsche sind ein solches. In dieser Form des Extrem-Wanderns gilt es in 24 Stunden 100 km zurückzulegen. Es gibt aber auch jeweils 50km-Strecken. Solche Events gibt es bereits in vielen Städten und du hast dort auch jeweils die Möglichkeit, vorher auszusteigen oder von Beginn an kürzere Strecken in Angriff zu nehmen.
Ähnliches Kaliber und viel traditioneller ist der Karwendelmarsch. Auf 35 oder 52 (!!) Kilometer laufen die Teilnehmer quer durch das attraktive Karwendelgebirge an der Deutsch-Österreichischen Grenze. Bei diesem sportlichen Event verschmelzen Wandern und Laufen. Vorne rennen die Trailläufer, die breite Masse ist jedoch wandernd unterwegs. Ein Event was mich schon lange reizt…
Noch berühmter ist der GutsMuths-Rennsteiglauf, den es bereits seit 1973 gibt und der jährlich bis zu 15.000 (!!!) Läufer und Wanderer auf verschiedenen Strecken von 21 km bis zu sagenhaften 72 km durch den Thüringer Wald laufen lässt.
Walking – die kleine Schwester vom Wandern
Es gibt natürlich auch die Fitnessvariante des schnellen Gehens. Nordic Walking dürfte dir ein Begriff sein. Bei diesem läufst du mit Stöcken schwungvoll und flott durch die Gegend. Richtig ausgeführt, verbrennt man da sogar mehr Kalorien als beim lockeren Joggen. Doch richtig ausgeführt wird Nordic Walking nur in den seltensten Fällen. Und darauf ist auch eher der etwas belächelte Ruf zurückzuführen.
Es gibt mittlerweile auch Ableger, die sich Power- oder Speedwalking nennen und die Sportler sind dabei mindestens genauso schnell unterwegs, wie langsame Jogger. Meistens sogar schneller …
Wenn du Probleme mit deinen Gelenken hast und Laufen dir deshalb schwerfällt, solltest du das Walking in welcher Form auch immer einmal probieren.
Der Unterschied? Beim Laufen sind kurzzeitig beide Füße in der Luft, beim Walking ist immer einer am Boden. Das verringert die Belastung auf Gelenke und Bänder enorm.
Wandern oder Laufen – Hauptsache Bewegung bringt Fitness
Egal, ob du es als landschaftliches Erlebnis genießt oder daraus ein sportliches Event machst, flottes Gehen ist ein gutes Fitnesstraining und immer ein Erlebnis.
Als Kind habe ich es gehasst und heute liebe ich wandern. Dabei müssen es nicht immer die Berge oder Hügel sein. Auch in der Ebene kann man wunderbar wandern.
Probiere es aus und geh doch mal wandern – für deine Fitness, für deine Seele – für dich!
Quellen: https://www.fitforfun.de/sport/outdoor/trendsport-wandern_aid_4845.html
Über den Autor: Torsten Pretzsch
Torsten hat eine Reise vom Couchpotato zu einem engagiertem Lauftrainer hinter sich. Er kennt den Kampf mit dem inneren Schweinehund und nutzt diese Einblicke, um unsere Mitglieder dabei zu unterstützen, ihre eigenen Herausforderungen zu meistern.
Seine Leidenschaft, anderen ein fitteres Leben zu ermöglichen, führte zur Gründung des ausdauerblog im Jahr 2015, aus dem später der ausdauerclub hervorging.
Mit dem ausdauerclub möchte Torsten seine Vision verwirklichen, über 50.000 Menschen dauerhaft zum Laufen zu bringen.
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