Der verdiente Feierabend bricht endlich an. Den ganzen Tag über hast du dich auf deine abendliche Laufrunde gefreut. Abschalten, runterkommen, keinen Gedanken mehr an den Job. Deine Laufschuhe stehen schon bereit, und dann geht es endlich los.
Die Bewegung an der frischen Luft – genau das ist es, was du als Ausgleich nach einem stressigen Tag brauchst. Doch mitten im Lauf spürst du plötzlich seitlich am Bauch einen stechenden Schmerz.
Das ist ein Szenario, das wohl nahezu jeder von uns mindestens einmal erlebt hat – sei es im Schulsport, im Verein, beim Joggen oder nach einem langen Sprint, um einen Bus noch zu erwischen. Seitenstechen kommt oft unverhofft, kann dich in der Ausübung deines Sports einschränken und gleichzeitig verschwindet es oft so schnell, wie es aufgetreten war.
Doch was steckt aus physiologischer Sicht eigentlich dahinter? Sind plötzliche Seitenstiche ein Grund zur Sorge? Was ist Seitenstechen und was ist über die Ursachen bekannt?
Was ist Seitenstechen – so erkennst du die Symptome richtig
Links, rechts, oder auf beiden Seiten gleichzeitig: Seitenstechen kann an verschiedenen Stellen am Bauch auftreten. Ein scharfes, krampfartiges Gefühl setzt nach Beginn / während der sportlichen Belastung ein und zwingt dich vielleicht sogar dazu deine Laufrunde zu unterbrechen.
Nach Belastungsende oder Reduzierung der Intensität bilden sich die schmerzende Stelle meist unmittelbar zurück. Besonders betroffen von dem Phänomen Seitenstechen sind Ausdauersportler.
Ist eine Verbesserung der Beschwerden nicht zeitnah nach der sportlichen Betätigung vorhanden, sollten Sportler als Vorsichtsmaßnahme einen Arzt aufsuchen. So lassen sich anderweitige Ursachen im Bauchraum (zum Beispiel an Rippen, Leber und Milz) ausschließen.
Warum bekomme ich Seitenstechen beim Joggen?
Seitenstechen hat wohl fast jeder Sportler, ob Profi-, Hobbysportler- oder Laufanfänger, schon einmal erlebt. Die genaue Ursache ist jedoch aus wissenschaftlicher Sichtweise betrachtet noch nicht abschließend geklärt. Das schreibt unter anderem das International Journal for Case Reports.
In der Sportwissenschaft ist das Phänomen „Seitenstechen“ übrigens unter der Abkürzung ETAP, stehend für exercise-related transient abdominal pain, bekannt.
Wenngleich die genaue Ursache nicht wissenschaftlich belegt ist, stehen jedoch einige Theorien im Raum, die auf mögliche Ursachen schließen lassen. Darauf hingewiesen sei jedoch, dass es hierbei ausschließlich um Theorien handelt.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen Atmung und dem Auftreten von Seitenstechen?
Das Zwerchfell wird nicht selten als Ursache erwähnt, wenn es sich um das Phänomen Seitenstiche handelt.
Das Zwerchfell (Diaphragma) wird als „quer verlaufende, nach oben gewölbte Muskelplatte“ beschrieben. Es „bildet den Boden des Brustraumes und das Dach des Bauchraumes und trennt beide Körperhöhlen vollständig voneinander“ (Zimmer, Appell, 2021*).
Es dient der Atmung. Beim Einatmen kontrahiert das Zwerchfell, es zieht sich also zusammen. Beim Ausatmen entspannt sich das Zwerchfell wieder und dehnt sich aus.
In Bezug auf das Seitenstechen soll die intensive sportliche Betätigung hierbei eine Rolle spielen, da damit eine schnellere und tiefere Atmung einhergeht. Die Theorie lautet also: Durch intensive körperliche Betätigung kommt es zu einer erhöhten Belastung des Zwerchfells.
Das Organ kann nicht mit ausreichend Sauerstoff versorgt werden und verkrampft infolgedessen. Das macht sich schließlich als stechender Schmerz am Bauch, als Seitenstich, bemerkbar.
Als „Hauptbeweis“ gegen diese Theorie führen Morton und Callister (2015)* an, dass Seitenstiche auch durch sportliche Aktivität mit geringem Atembedarf hervorgerufen werden können, etwa beim Reiten.
Und auch Sportmediziner Klaus Völker bezeichnete die Überanstrengung des Zwerchfells als Ursache gegenüber der Apotheken Umschau als „sehr unwahrscheinlich“. Er konkretisierte zudem: „Da wir ja permanent atmen, ist das Zwerchfell einer der am besten trainierten Muskeln des Körpers.“
Mögliche Ursache für Seitenstechen: Die Durchblutung
Eine Rolle bei Seitenstechen hingegen spiele laut Völker die Blutversorgung bei körperlicher Aktivität. Um die Muskulatur über das Blut mit Sauerstoff zu versorgen, drosselt unser Körper die Blutversorgung an anderen Stellen.
„Mit der Aufnahme einer körperlichen Aktivität benötigt die arbeitende Muskulatur eine erhöhte Sauerstoff- und Substratzufuhr, die neben einer besseren Ausnutzung nur durch eine erhöhte Durchblutung gewährleistet werden kann. Dies geschieht im Wesentlichen durch eine Erhöhung des Herz-Zeitvolumens und durch eine Verbesserung der lokalen Durchblutung […]. Gleichzeitig wird in anderen Abschnitten des Gefäßsystems die Durchblutung vermindert.“
(Wonisch et al. 2017)*
So argumentiert Völker gegenüber der Apotheken Umschau unter Bezugnahme auf Untersuchungen, „dass die Durchblutung der Leber und der Milz unter körperlicher Belastung deutlich abnimmt – abhängig von der Intensität“. Infolgedessen könnten sich Leber und Milzkapsel verformen, was letztlich das Seitenstechen verursache, so der Experte.
Schmerzen an der Seite: Trainierst du mit vollem Bauch?
Ziemlich logisch erscheint auf Grundlage dieser Erkenntnisse, dass Sport auf vollen Magen auch zu Seitenstechen führen kann (aber nicht muss). Um das Essen zu verdauen, benötigt der Magen-Darm-Trakt Blut, welches jedoch an anderer Stelle, der Muskulatur, benötigt wird.
„Strengen wir uns mit vollem Bauch an, bereitet der Umverteilungsprozess des Blutflusses zwischen den beiden Systemen noch größere Probleme“, so Völker.
Welche Rolle spielt die Körperhaltung bei Seitenstechen?
Ein weiterer Faktor, der in der Literatur nicht selten erwähnt wird und mit Seitenstichen zusammenhängen soll, ist die Körperhaltung.
So weisen etwa Ergebnisse von Collister und Morton (2010)* darauf hin, dass Haltungsstörungen im Oberkörper die Erfahrung von Seitenstechen beeinflussen.
In einer weiteren Studie von 2014* ließen Daten darauf schließen, dass Sportler mit trainiertem Transversus abdominis (das ist vereinfacht ausgedrückt ein Teil der Bauchmuskeln) weniger unter Seitenstechen litten.
Ist Seitenstechen gefährlich?
Wenngleich die genaue Ursache für das Seitenstechen zunächst noch unklar ist, beantworten Experten eine Frage sehr konsequent und übereinstimmend:
Ist Seitenstechen gefährlich? Nein. Schon nach kurzer Zeit lassen die Beschwerden in den häufigsten Fällen wieder nach. Folgebeschwerden gibt es in der Regel ebenfalls nicht.
Was hilft gegen Seitenstechen beim Joggen – deine Erste-Hilfe-Tipps
Plagen dich beim Laufen Seitenstiche, kannst du selbst aktiv werden, um die Schmerzen schnellstmöglich wieder loszuwerden.
Da über die Ursache der Beschwerden allerdings noch weitgehend Unklarheit herrscht, basieren die Tipps maximal auf Erfahrungen, nicht jedoch auf einer wissenschaftlichen Grundlage.
- Verlangsame dein Lauftempo oder gönn dir eine kurze Pause. Je nachdem, wie dein Schmerzempfinden ist, kannst du deinen Lauf auch abbrechen. Hör auf deinen Körper.
- Auch die Ausübung von Druck mit der Hand auf die schmerzende Region während der Ausatmung soll gegen Seitenstechen helfen.
- Reguliere deine Atmung. Nimm gleichmäßige und kontrollierte Atemzüge.
- Achte auf eine aufrechte Körperhaltung. Du kannst auch die Arme in die Luft strecken und dich so groß machen.
Drei Tipps, wie du akutes Seitenstechen vorbeugen kannst
Möchtest du gar nicht erst mit Seitenstechen zu kämpfen haben, können folgende Tipps nützlich sein. Auch hier gilt natürlich: Keine wissenschaftliche Evidenz, es handelt sich um Tipps, die zur Vermeidung der Beschwerden beitragen können.
Letztlich musst du für dich selbst herausfinden, was am besten für dich persönlich funktioniert. Schließlich ist es auch nicht selten einfach eine individuelle Angelegenheit.
Seitenstechen beim Laufen: Das kannst du tun
Du siehst, Seitenstechen ist ein Phänomen der Sportbeschwerden, das häufig auftritt, dessen Ursache allerdings nicht abschließend geklärt ist und bis heute einige Fragezeichen hinterlässt.
Die Literatur lässt auf mehrere mögliche Auslöser schließen: Laufen mit vollem Magen, die Durchblutung oder etwa die Körperhaltung. Zur Vermeidung und Vorbeugung lassen sich daraufhin einige Tipps geben, die jedoch nicht auf wissenschaftlichen Ergebnissen, sondern auf Erfahrungen basieren.
Beunruhigen muss man sich jedoch nicht von plötzlichen Seitenstichen lassen. Die Beschwerden klingen relativ schnell wieder ab. Sollte das einmal nicht der Fall sein, sollte man den Gang zum Arzt nicht scheuen, um andere Ursachen abklären zu lassen. Allgemein lässt sich sagen, dass Seitenstechen nicht gefährlich ist.
Ein Grund zur Sorge ist ein Seitenstechen also nicht.
Wie sonst auch gilt es einfach, auf den eigenen Körper zu hören und im Training auch einmal einen Gang herunterschalten zu können, wenn es notwendig ist.
Was sind deine Erfahrungen mit Seitenstechen? Bist du davon eher selten oder eher häufig betroffen? Ich freue mich darauf, von Dir zu lesen und schicke dir sportliche Grüße.
Deine Michelle
Über die Autorin: Michelle Brey
Fußball, Auspowern, Musik und Schreiben: Das ist Michelle aus München.
Mit bereits fünf Jahren ist sie der Leichtathletik verfallen, zwei Jahre später dem Fußball. In der U17 mischte sie die Juniorinnen Bundesliga, die höchste Fußballliga Deutschlands für Mädchen, auf.
Neben dem Sport schreibt sie leidenschaftlich gerne und vereint hier ihre Leidenschaft zum Sport und dem Schreiben, um so dir, dem Leser, hilfreiche Tricks & Tipps geben zu können!
Quellen:
*Collister, Morton (2014): Exercise-Related Transient Abdominal Pain (ETAP), https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4281377/
*Collister, Morton (2010): Influence of posture and body type on the experience of exercise-related transient abdominal pain, https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/20022301/
Mole, J., Bird, M., Fell J. (2014): The effect of transversus abdominis activation on exercise-related transient abdominal pain, https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S1440244013001448
*Wonisch, M., Hofmann, P., Förster, H., Hörtnagl, H., Ledl-Kurkowski, E., Pokan, R. (2017). Kompendium der Sportmedizin: Physiologie, Innere Medizin und Pädiatrie. Springer
*Zimmer, P., Appel, H. (2021). Funktionelle Anatomie: Grundlagen sportlicher Leistung und Bewegung. Springer.